Der erfahrene Pneumologe und Chefarzt am KRH Klinikum Siloah, Prof. Dr. Thomas Fühner, erklärt, warum dies so ist – und wie Heilung bei Betroffenen trotzdem gelingen kann.
Herr Prof. Dr. Fühner, bitte erläutern Sie uns einmal kurz: Was genau richtet das neuartige Virus SARS-CoV-2 in der Lunge an?
SARS-CoV-2 kann bis zu akutem Lungenversagen führen. Häufiger sind jedoch milde Verläufe. Allerdings scheint mit dem Alter, bei Männern und bei Vorerkrankungen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu steigen. Im Krankenhaus haben wir Patientinnen und Patienten ab einer Viruspneumonie (Anmerkung der Redaktion: virusbedingte Lungenentzündung) mit sichtbaren Symptomen.
Manche Menschen reagieren fast gar nicht auf das Virus, andere dagegen kämpfen an der Beatmungsmaschine um ihr Leben. Warum ist das so?
Das haben wir bisher nicht genau verstanden. Mehr als zwei Drittel der Patienten mit schweren Krankheitsverläufen sind männlich. In einer aktuellen Studie aus den Niederlanden steht die höhere Konzentration eines bestimmten Enzyms im Blut der Männer im Fokus. Dieses Enzym ermöglicht dem Virus, gesunde Zellen zu infizieren. Junge und gesunde Menschen haben möglicherweise ein leistungsfähigeres Immunsystemund sind deswegen weniger betroffen – das ist aber Spekulation. Wir hatten aber auch relativ junge Patienten wie den 53-jährigen Stefan Bierwirth, der inzwischen genesen ist, der allerdings kaum die benannten Risikofaktoren trägt. Er ist sportlich und litt unter keinen Vorerkrankungen. Also auch dies ist möglich.
Worin unterscheidet sich eine „normale“ Lungenentzündung von jener, wie sie Ihnen bei Covid-19 begegnet?
Unter der „normalen“ Lungenentzündung verstehen wir meistens eine bakterielle Lungenentzündung. Viruspneumonien sind seltener, und sie führen auch bei anderen Viren häufig zu schweren Erkrankungen. Bei Covid-19 sind in der Regel beide Lungenflügel betroffen, bei bakteriellen Lungenentzündungen trifft es häufig nur einen Flügel oder ein Lungensegment. Ein Hauptproblem ist, dass wir gegen Viren wenige Medikamente zur Verfügung haben. Den jungen Mann, der sich inzwischen wieder erholt hat, mussten wir zwischenzeitlich auf einer Intensivstation betreuen.
Zum Glück können immer mehr Menschen nach ihrer Genesung aus dem Krankenhaus entlassen werden. Haben sie wirklich alles überstanden?
Es können Spätfolgen auftreten. Wir haben aber noch keine Übersicht. Aber bei einigen Patienten scheint sich die Lunge nur sehr langsam zu erholen. Wer ein schweres Lungenversagen erfahren hat, sollte sich von einem Lungenfacharzt kontrollieren lassen. Ob die Folgen wirklich langfristig sind, werden wir abwarten müssen.
Die Zahl der Beatmungsplätze konnte auch an den Kliniken des KRH erhöht werden, doch ihre Bedienung ist hochkomplex. Was passiert dort?
Intensivmedizin ist sehr komplex. Hier arbeiten mehrere hoch spezialisierte Berufsgruppen zusammen unter Einsatz modernster technischer Möglichkeiten. Bei Covid-19 kommt ein Infektionsrisiko für die Teams hinzu. Das ist für uns in Grenzen nicht ungewöhnlich. Doch das häufige Tragen und Wechseln der Schutzkleidung ist auch eine physische Belastung. Auf den Intensivstationen werden die Patienten häufig in ein künstliches Koma gelegt und über mehrere Tage bis hin zu Wochen beatmet. Wenn die Lungen besonders kritisch sind, müssen die Patienten zum Teil für einige Stunden auf den Bauch gedreht werden. Hier ist dann der Gasaustausch in dem schwer geschädigten Organ eine Zeit lang günstiger. In dieser Zeit müssen wir sehr darauf achten, dass keine weiteren Komplikationen auftreten. Wir bestimmen zudem unter anderem mehrfach am Tag verschiedene Blutwerte. Beatmung an sich funktioniert zudem nicht wie das natürliche Atmen. Bei der natürlichen Atmung erzeugen wir im Brustkorb durch Anspannen der Atemmuskulatur einen Unterdruck. Die Luft strömt dann passiv ein. Die Beatmungsmaschine aber presst mit zum Teil hohem Druck Luft in die Lungen. Das kann schädlich sein. Je länger und je massiver das Lungenversagen ist, desto größer ist das Risiko. Wenn die Beatmungsbedingungen zu angespannt sind, setzen wir in seltenen Fällen vorübergehend eine künstliche Lunge ein, bei der das Blut direkt mit Sauerstoff angereichert wird.
Wer Covid-19 überstanden hat, hat es hinter sich?
Wahrscheinlich ja. Ob sich das Virus irgendwann so sehr verändert, dass eine erneute Infektion möglich ist, wissen wir im Moment allerdings nicht