Am Unfallort muss es manchmal schnell gehen: In welcher Klinik ist ein Schockraum verfügbar und wo gibt es einen freien Beatmungsplatz auf einer Intensivstation? Ein Computersystem bietet Rettungskräften Informationen auf einen Blick.
Unfall mitten in der Stadt. Die Fahrbahn ist durch einen Streifenwagen blockiert. Im Hintergrund sind Rettungswagen und Blaulicht erkennbar. Die Einsatzkräfte jenseits der Sperrung brauchen jetzt vor allem eine Information: Wo erhält die schwer verletzte Person so schnell wie möglich die beste Behandlung, nachdem sie am Unfallort stabilisiert und versorgt worden ist?
Die Antwort kann abseits des Geschehens auch Dr. Christian Dudel mit wenigen Klicks auf den Bildschirm seines Computers holen. Der Sprecher der Fachgruppe für Notfallmedizin im KRH Klinikum Region Hannover und Leiter der Notaufnahme am KRH Klinikum Siloah zeigt an dem Beispielfall, wie IVENA funktioniert: Der Titel steht für „interdisziplinärer Versorgungsnachweis“ und umschreibt etwas sperrig höchst wichtige Informationen: Welches Krankenhaus – zum Beispiel in der Region Hannover – hat in diesem Moment freie Kapazitäten? Angaben in roter und grüner Schrift geben Aufschluss, wo beispielsweise eine schwer am Kopf verletzte Person jetzt am besten aufgehoben sein könnte.
„Die Rettungssanitäter geben dazu eine sechsstellige Ziffernfolge ins System ein. Das System antwortet umgehend mit dem bestmöglichen Ziel“, erläutert Dudel. Den Zifferncode stellen die Einsatzkräfte aus dem Indikationscode (Erkrankung), Dringlichkeit der Verletzung und Alter der betroffenen Person zusammen. Welche Körperregion ist verletzt? Muss die Person in den sogenannten Schockraum einer Notaufnahme? Wurde der Mensch reanimiert? Fühlt er einen Brustschmerz? Wird er beatmet?
Datenbank führt alle Details zusammen
Hinter IVENA verbirgt sich eine Datenbank, auf die alle Krankenhäuser sowie die am Rettungswesen beteiligten Einsatzkräfte Zugriff haben. Dazu gehören in der Region Hannover die von den verschiedenen Krankenhäusern gestellten Notfallmediziner sowie die Rettungssanitäter und -assistenten. Letztere gehören zur Feuerwehr Hannover sowie den jeweils beauftragten Rettungsorganisationen gestellt, die zudem auch den Fuhrpark bereithalten. „Im KRH werden diese Notarztwagen an fast allen Standorten durch dort tätige Notfallmediziner besetzt“, sagt der Notaufnahmenleiter. Hinzu kommen weitere Abfahrpunkte an anderen Krankenhäusern in Stadt und Region, die jedoch anderen Trägern zugeordnet sind.
Umgekehrt melden alle Krankenhäuser rund um die Uhr, welche Stationen oder auch welche speziellen Funktionsräume gerade frei sind oder belegt. Ist der Schockraum verfügbar oder findet dort gerade eine längere Versorgung eines Verletzten statt? Gibt es einen Beatmungsplatz auf der kardiologischen Intensivstation? Wo ist ein Herzkatheterlabor gerade verfügbar? „Was auch immer gerade belegt ist, erscheint auf dem Bildschirm rot hinterlegt“, erklärt Dudel. Das aber heiße nicht zwingend, dass dieses Krankenhaus deshalb nicht angefahren werden kann. „Es macht nur klar, dass es dort dann eben Wartezeiten gibt.“
Im Notfall hilft die Leitzentrale
Sollte in einem Ausnahmefall kein Krankenhaus sofort einen Freiraum für die notwendige Behandlung haben, telefoniert das Team der Leitzentrale die Krankenhäuser ab, um die konkrete Situation vor Ort zu ergründen. „Die Besatzung des Rettungswagens erhält dann aus der Leitzentrale die Information, wohin sie fahren soll.“ Neben dem speziellen Zugang
für die Profis ist eine abgespeckte Version von Ivena auch für jeden Normalbürger im Internet einsehbar. Unter der Webadresse www.ivenaniedersachsen.de lässt sich jede Region oder größere Stadt des Bundeslandes aufrufen. „Das ist wichtig, wenn ich beispielsweise wissen möchte, ob die Notaufnahme eines Krankenhauses gerade belegt ist“, sagt der Notfallmediziner. Wer also keinen Rettungswagen zu Hause braucht, sondern die Wahl hat zwischen mehreren erreichbaren Krankenhäusern, solle durchaus einmal einen Blick auf die Übersicht werfen, rät Christian Dudel. „Das ist erst einmal besser, als überall anzurufen.“