In der Notfallversorgung kommt es auf eine rasche und sichere Diagnostik an. Moderne Technik hilft hier enorm – und dennoch ist nach wie vor die Erfahrung der Pflegekräfte und Ärzte ausschlaggebend.
Die Zentralen Notaufnahmen (ZNA) des KRH sind das Einfallstor aller Kliniken. Hier werden die Patientinnen und Patienten ersteingeschätzt, untersucht und hier wird entschieden, ob und welche Fachklinik sie aufnimmt. „Der erste Kontakt ist immer die Triage-Pflegekraft. Er oder sie schätzt den Patienten ein und entscheidet, wie dringend dieser Patient von einem Arzt weiteruntersucht werden muss“, erläutert Christoph Schaller, stellvertretender Pflegerischer Leiter der ZNA im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge. Grundlage dieser ersten Begutachtung ist das Manchester-Triage-System, ein weltweit angewandter und standardisierter ganzheitlicher Ablauf, in dessen Anwendung die Pflegekräfte geschult sind. „Wir haben hier zum einen die offensichtlichen Informationen, beispielsweise ob ein Patient humpelt, ob er kaltschweißig ist, ob er sich den Bauch vor Schmerzen hält oder Ähnliches. Dazu kommt noch das, was uns der Patient in der standardisierten Abfrage über sein Leiden erzählt – und als Letztes dann schließlich die Erfahrung, die hier manchmal den Ausschlag gibt“, betont Schaller. Sein Kollege Moritz Lorentzen, Ärztlicher Leiter der ZNA, pflichtet ihm bei: „Es gibt einige Fälle, in denen das Triage-System sich irren kann. Ein Beispiel: Ein Diabetiker hat sich zu viel Insulin gespritzt. Der Rettungsdienst verabreicht Zucker und beim Eintreffen in der ZNA ist der Blutzuckerspiegel dann in Ordnung. Das Triage-System geht von einer niedrigeren Dringlichkeit aus, die erfahrene Pflegekraft weiß aber: Der Patient ist gefährdet, da er jederzeit wieder unterzuckern kann.“
Point-of-Care-Diagnostik: Keine Zeit verlieren, wenn jede Sekunde zählt
Bei entsprechender Einstufung erfolgt nach der Ersteinschätzung die weitergehende Diagnostik. Hier hat der technische Fortschritt die Notaufnahmen stark verändert: Was vor einigen Jahren noch in anderen Abteilungen des Krankenhauses untersucht worden ist, findet heute direkt in der Notaufnahme statt. Moderne Point-of-Care-Diagnostik nennt man dies. „Der Fortschritt hier ist wirklich enorm. Blutgas- oder auch Elektrolytwerte haben wir erst nach 45 Minuten aus dem Labor bekommen, heute haben wir sie in zwei Minuten in der Hand“, bekräftigt Lorentzen. „Das Gleiche gilt auch für die Vitalwerte, also vor allem Temperatur, Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung – die messen wir alle mit einem einzigen System, und die Werte werden dann auch sofort in die digitale Patientenakte übertragen. Das ist wirklich beeindruckend im Vergleich zu früher“, ergänzt Schaller.
Kurze Wege für schnellere Behandlung
Ebenso entscheidend für eine gute Notfalldiagnostik: der kurze Weg zur Radiologie. Im Klinikum Neustadt sind CT, MRT und klassisches Röntgen direkt über den Flur zu erreichen – ein großer Vorteil für eine schnelle Abklärung. „Egal, ob der Unfallchirurg zeitnah ein Bild des gebrochenen Knochens braucht oder der Neurologe ein CT des Kopfes – alles passiert nur einen Raum weiter“, erläutert Lorentzen. Und auch für die medizinische Versorgung der dringendsten Fälle sind kurze Wege lebenswichtig. Darum befinden sich der OP und die
Intensivstation in direkter Nachbarschaft der ZNA.
Erfahrung macht den Unterschied
Doch trotz modernster Diagnostik: Das Bauchgefühl entscheidet immer mit. „Wir hatten mal einen Patienten, 28 Jahre alt, Bodybuilder, durchtrainiert. Er kam zu uns, weil ihm nach tagelangem Training die Schulterblätter wehtaten. Der erste Gedanke war natürlich: Muskelkater“, berichtet Schaller. „Aber dann kamen Zweifel. Kommt ein Sportler, der
Muskelkater kennt, deswegen in die Notaufnahme? Sagt ihm sein Körpergefühl nicht vielleicht zu Recht, das hier etwas anderes vorliegt? Wir haben bei ihm ein EKG geschrieben und das Ergebnis war: Er hatte einen Herzinfarkt.“