Bärbel Sander wollte eigentlich nur etwas bezahlen an der Kasse. Sie sprach laut und deutlich – dachte sie. Doch die Kassiererin verstand offensichtlich kein Wort. „Ich ging dann ohne die Ware nach Hause und dachte mir nichts weiter mehr dabei“, erinnert sich die 78-Jährige. „Erst als mein Mann mich auch nicht verstand kam ich auf die Idee, zum Arzt zu gehen.“ Das war am Folgetag und der Hausarzt hatte sofort den richtigen Verdacht: Schlaganfall. Sofort ließ sich Bärbel Sander in die Notaufnahme des KRH Klinikums Großburgwedel bringen. „Ich kann mich nur noch erinnern, dass dann alles ganz schnell ging und Ruck-Zuck lag ich auf der Überwachungsstation.“
„In so einem Fall muss das auch so schnell gehen“, betont Dr. Christoph Grotjahn, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. „Direkt in der Notaufnahme schätzen die Kolleginnen und Kollegen ein, dass der Verdacht auf einen Schlaganfall vorliegt und leiten dann die anstehende Diagnostik ein. Marcel Bender, Facharzt für Neurologie und Mitarbeiter in Grotjahns Klinik im KRH Klinikum Großburgwedel, war dann der behandelnde Neurologe. „Time is brain, so sagen wir Neurologen bei einem Schlaganfall.“ Auf Deutsch: Je schneller die richtige Therapie eingeleitet wird, desto größer die Chance für die betroffenen Schlaganfallpatienten, dass keine, oder nur wenige bleibende Beeinträchtigungen zurückbleiben. Lyse nennt sich eines der Verfahren. Dabei müssen die richtigen blutverdünnenden Medikamente in der richtigen Dosierung gegeben werden. So kann das Gerinsel, dass die Durchblutung eines Hirnareals verhindert, aufgelöst werden. Klingt relativ simpel – ist aber ein komplexer Vorgang, der nur in spezialisierten Schlaganfalleinheiten, den so genannten „Stroke-Units“ durchgeführt werden kann.
Seit mehr als einem Jahr gibt es jetzt eine solche „Stroke-Unit“ am KRH Klinikum Großburgwedel. Sie verfügt über vier Betten und ist spezialisiert auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Krankenhaus unserer Größe eine solche Spezialbehandlung anbieten kann“, sagt Dr. Antje Hoffmann, Ärztliche Direktorin des Krankenhauses. „Wir können das nur im Rahmen unseres engen KRH-Verbundes und der Nutzung modernster Technologie anbieten.“ Es profitieren in erster Linie die Patientinnen und Patienten. Mussten sie früher mit einem Schlaganfall von hier aus ins KRH Klinikum Agnes Karll Laatzen oder ins KRH Klinikum Nordstadt zur Behandlung verlegt werden, so ist dies heute wohnortnah anzubieten. Möglich ist dies durch eine enge telemedizinische Verzahnung der neurologischen Angebote im Klinikum Region Hannover. Verantwortet wird die Teleneurologie von Prof. Dr. Andreas Schwartz, der auch die Klinik für Neurologie am KRH Klinikum Nordstadt leitet. „Eine Stroke-Unit hat zwei entscheidende Grundlagen. Zum einen die spezialisierten Experten aus Medizin und Pflege und zum anderen eine Ausstattung mit entsprechenden Geräten für die Diagnostik, Therapie und Überwachung.“ Eine große Herausforderung ist heutzutage, neurologische Fachärzte 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche im Dienst zu haben. Das schaffen in der Regel nur große Krankenhäuser oder Verbünde, die entsprechend viele Patientinnen und Patienten behandeln. Darum nutzt das KRH Klinikum Region Hannover die Möglichkeiten der Telemedizin. „Wir arbeiten hier mit einer Mischung aus präsentem Neurologen in Großburgwedel und den anderen Standorten und einer Hintergrundüberwachung mit Hilfe von Videokonferenzen. So schaffen wir es rund um die Uhr, dass immer die fachärztliche Expertise für den Patienten zur Verfügung steht, so wie er sie braucht. Das ist gerade in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall von entscheidender Bedeutung“, so Schlaganfallexperte Schwartz.
Insgesamt verfügt das Klinikum Region Hannover über 42 Betten in seinen spezialisierten Schlaganfall-Einheiten. 20 in der Klinik für Neurologie am KRH Klinikum Nordstadt, zehn in der Klinik für Neurologie im KRH Klinikum Agnes Karll Laatzen, vier teleneurologische angebundene Plätze im KRH Klinikum Großburgwedel, vier im KRH Klinikum Robert Koch Gehrden, und vier im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge.
Neurologe Bender ist sehr zufrieden, wie sich seine Patientin in den zurückliegenden Wochen von ihrem Schlaganfall erholt hat. Bärbel Sander war damals drei Tage auf der Stroke-Unit in intensiver Therapie. „Wir haben wir sie ganz engmaschig überwacht, um bei möglicherweise auftretenden Komplikationen sofort reagieren zu können.“ Nach drei Tagen konnte sie auf Normalstation verlegt werden und nach drei weiteren Tagen ging es in eine Klinik, die für die Rehabilitation nach Schlaganfall spezialisiert ist. „Die Ausfallerscheinungen sind mittlerweile komplett verschwunden“, berichtet die begeisterte Hobbygärtnerin. „Besonders dankbar bin ich, dass ich jeden Morgen wieder meine halbe Stunde Gymnastik machen kann.“