Bei fortgeschrittenem Harnblasenkrebs ist die Entfernung der kompletten Harnblase, die sogenannte Zystektomie, oft die einzig verbleibende Option. Doch dadurch entsteht ein Problem: Wohin mit dem Urin? Die eine Möglichkeit: Er wird direkt abgeleitet. Die zweite Möglichkeit: Ein neues künstliches Reservoir für den Urin wird im Köperinneren aufgebaut. Die schwierigste, aber für den betroffenen Patienten oder die Patientin sehr komfortable Methode ist die sogenannte Neoblase. Sie ersetzt, die Funktion des bisherigen Organs nahezu vollständig. Dazu wird ein kurzer Abschnitt aus dem Dünndarm herausgeschnitten und als neue Blase hergerichtet. „Dies ist einer der aufwendigsten und schwierigsten operativen Eingriffe in der Urologie überhaupt“, betont Prof. Alexandre Pelzer, Chefarzt der urologischen Klinik im KRH Klinikum Siloah und Leiter des Da Vinci Zentrums Hannover Mitte. Bei der gesamten Operation muss sowohl der Dünndarm wieder vernäht als auch die neue Blase aus dem gewonnenen Dünndarmmaterial konstruiert sowie mit der Niere und dem Urinleiter verbunden werden. OP-Zeiten von mehr als sechs Stunden sind hier keine Seltenheit – und damit auch eines der größten Probleme. Insbesondere, wenn die OP in herkömmlicher Technik als offener Eingriff erfolgt. Für die Patienten bedeutet dies eine extrem hohe Belastung, sodass sie nach der Operation teilweise für mehrere Tage auf der Intensivstation betreut werden müssen.
Dem Team um Prof. Pelzer und Oberarzt Dr. Yannick Lippka im Da Vinci-Zentrum Hannover Mitte ist es nun gelungen, diese schwierige Operation vollständig intrakorporal und minimal-invasiv durchzuführen. Das bedeutet: Das Darmmaterial, aus dem die neue Blase konstruiert wird, muss dazu nicht extra aus dem Körper entnommen werden. Dieser Schritt findet auch innerhalb des Bauchraums statt. Das verkürzt die OP-Zeit erheblich. Und durch die minimal-invasive Technik erfolgt der Eingriff durch einige wenige Schlüsselloch große Einschnitte, statt eines großen Bauchschnitts. Beides sorgt für eine erheblich verringerte Belastung des Patienten. „Wir können so den anschließenden Aufenthalt auf der Intensivstation deutlich verkürzen und zukünftig sicherlich ganz vermeiden“ unterstreicht Lippka. „Unsere Patienten sind so wieder schneller fit, können früher nach Hause und fühlen sich einfach wohler“.
Möglich wird dieser enorme Fortschritt durch den Einsatz eines robotischen Assistenten, in diesem Fall das Da Vinci-System. Der Operateur sitzt hierbei an einem Steuerpult vor einem hochauflösenden Bildschirm und sieht das innenliegende Operationsfeld gestochen scharf, vergrößert und in 3D. Die durch minimale Öffnungen in den Bauchraum hineinragenden Arme des Roboters steuert er über eine komplexe Konsole in alle Richtungen – und auch seine Bewegungen finden skaliert statt, sprich aus einer kleinen Fingerbewegung wird eine noch kleinere und exaktere Bewegung des vom Roboter geführten Instruments. „Dieses System ermöglicht völlig neue Perspektiven. Eine minimal-invasive intrakorporale Neoblase wäre anders gar nicht möglich,“ betont Pelzer. „Aber trotz oder gerade wegen der modernsten Technik in unserer Abteilung, kümmern wir uns mit ganzem Herzen um die Sorgen und Nöte der Patient*Innen.“ hebt Lippka hervor.
Bisher ist das Da Vinci Zentrum Hannover Mitte die einzige Anlaufstelle in der Region Hannover, wenn es darum, geht eine solche Operation an einem zertifizierten Blasenkrebszentrum mit angeschlossenem Da Vinci Zentrum durchführen zu lassen.