Not macht erfinderisch. Dr. Thomas Vorwerk und Claus Burdach können über diesen Sinnspruch wahrscheinlich ganz eigene Lieder singen, wenn sie auf die zurückliegenden Monate blicken. Denn ohne die in ihren Bereichen gänzlich neu gefundenen Abläufe, Ideen und Konzepte wären die Menschen in den Kliniken des KRH der Pandemie wohl schutzlos ausgeliefert gewesen.
„Bereits Ende Januar hatten wir ein mögliches Risiko identifiziert“, blickt Burdach zurück, „auch wenn wir damals nicht wussten, was wirklich auf uns zukommt.“ Claus Burdach leitet im KRH das Beschaffungsmanagement. Sein Bereich stellt sicher, dass jederzeit alle Verbrauchs- und Investitionsgüter an ihrem Platz sind. Als die Nachrichten im Januar immer mehr darauf hindeuteten, dass Covid-19 nicht allein für China zum Problem wird, läuteten in Hannover die Alarmglocken. Denn die Lieferlage, so Burdach, veränderte sich dramatisch. Selbst Standardmaterialien waren auf einmal nicht mehr wie gewohnt erhältlich. „Wir suchten alternative Lieferanten, aber bei denen war es noch viel enger.“ Zeitgleich stiegen die Angebotspreise „auf das Acht- bis Zehnfache“.
In einer übergeordneten Taskforce mit Geschäftsführung, den Klinikdirektorien und Verantwortlichen aus allen Bereichen „haben wir alle Belange zusammengetragen: von der Materialbeschaffung bis zur Krankenversorgung“. Im Beschaffungsmanagement ging es in täglichen Runden stets um dieselben Fragen: „Wer sucht welche Materialien? Gibt es alternative Produkte?“ Am Anfang war alles knapp: Masken, Anzüge, Schürzen, Brillen, Tupfer und Handschuhe. „Das wandelte sich im Laufe der Zeit natürlich und ging in Wellen.“ Unvermutete Lösungen taten sich auf, sagt Burdach. „Kleine innovative Firmen produzierten im 3-D-Druck Schutzartikel für uns.“ Zugleich jedoch landeten auch weniger seriöse Angebote mit „Horrorpreisen“ im Posteingang – teilweise bis zu 20-fach höher als sonst am Markt üblich.
Auch für die von Dr. Thomas Vorwerk geleitete Zentralapotheke des KRH geriet die Pandemie zur Herausforderung. Denn auch Desinfektionsmittel – sowohl für Hände als auch für die Fläche – waren binnen weniger Tage weltweit Mangelware. „Die Bundesregierung setzte per Allgemeinverfügung Anfang Februar eine EU-Verordnung außer Kraft und erteilte uns damit die Erlaubnis, zumindest Desinfektionsmittel für die Hände selbst herzustellen.“ Das KRH konnte sich dank noch verfügbarer Gerätschaften schnell selbst helfen. „Wir hatten sowohl noch die Anlage als auch die dafür notwendigen Räumlichkeiten, um es selbst herzustellen“, sagt Vorwerk.
Die immer wieder nötige Suche nach neuen Lieferanten der Basisstoffe geriet allerdings schnell ebenso zur Detektivarbeit wie die Beschaffung vermeintlich simpler Gegenstände. „Irgendwann waren auch die Flaschen für die Ständer nicht mehr zu bekommen“, berichtet der Chefapotheker. Zug um Zug stellten Apotheke und Kliniken um. „Heute füllen wir aus 1000-Liter-Gebinden, die wir mit unserer Produktion füllen, jeweils Fünf-Liter-Kanister zentral ab, aus denen dann auf Station die kleinen Spender nachgefüllt werden.“ Pro Woche sind dies KRH-weit mehrere Tausend Liter. Zeitgleich ging Burdachs Team angesichts der zunehmend unseriösen Angebote dazu über, vor Bestellungen zunächst Proben zu ziehen und gemeinsam mit der Arbeitssicherheit und der Hygiene zu prüfen. Dass es in den Kliniken des KRH letztlich zu keinen fatalen Engpässen gekommen ist, führt Burdach auch auf die bereits vor der Pandemie aufgebaute Lagerkooperation des KRH mit anderen größeren Krankenhausträgern
in der Region zurück. „Auch mithilfe der Region Hannover waren wir bei den Bestellungen großer Mengen im intensiven Austausch.“ Der Chefapotheker hält rückblickend fest: „Niemand kann permanent sein Lager für die Spitzen einer Pandemie füllen.“ Dennoch, so auch Thomas Vorwerk, „sollten wir unser Kapital vermehrt in Lagerbestände investieren.“