
Oberärztin Jelka Meyhöfer mit ihrer Patientin Christa Schmitz
Christa Schmitz sitzt leicht aufgerichtet in ihrem Bett auf der Weaningstation im KRH Klinikum Siloah. Das Atmen fällt ihr schwer, das Sprechen noch viel mehr. Die 60-Jährige hat in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eine neue Lunge transplantiert bekommen. Der komplexe Eingriff war aufgrund einer schweren Sarkoidose notwendig geworden. Christa Schmitz konnte kaum noch am Leben teilnehmen, war tagtäglich auf Unterstützung angewiesen und ihr Zustand verschlimmerte sich zunehmend. Doch im Nachgang an die Operation war eine zügige Entwöhnung von der Beatmungsmaschine nicht möglich, sodass eine Verlegung in das Klinikum Siloah erfolgte. Das Weaningzentrum des Schwerpunktversorgers ist spezialisiert auf Fälle wie ihren.
Weaning bedeutet allgemein Entwöhnung. In der Lungenmedizin ist damit speziell gemeint, Patient*innen, die sehr lange künstlich beatmet werden, durch ein interdisziplinäres Team bestmöglich dabei zu unterstützen, so weit wie möglich wieder selbst atmen zu können. Interdisziplinär heißt, dass nicht nur Ärzt*innen die Patient*innen unterstützen, sondern auch Logopäden, Atmungs-, Physio- und Psychotherapeuten. „Die jeweilige Situation und die dahinterstehende Problematik unserer Patienten ist sehr komplex. Um da etwas bewirken zu können, braucht es mehr Power und mehr Zeit und beides können wir gewährleisten“, betont Jelka Meyhöfer, Oberärztin der Weaningstation.
Das Weaningzentrum im Klinikum Siloah verfügt über insgesamt drei Bereiche: eine pneumologische Intensivstation, die Weaningstation sowie eine Station für außerklinische Beatmung oder auch Heimbeatmung. Viele der hier versorgten Patient*innen sind chronisch lungenkrank. Die jeweilige Erkrankung kann die unmittelbare Ursache für ihren Krankenhausaufenthalt sein. Es gibt aber auch Fälle, bei denen der Krankenhausaufenthalt ursprünglich nichts mit der chronischen Lungenerkrankung zu tun hatte. „Wenn im Zuge einer anderen Behandlung oder Operation eine Beatmung notwendig ist, dann entwickeln chronisch lungenkranke Patienten häufiger ein Problem bei der anschließenden Entwöhnung und auch auf solche Fälle sind wir spezialisiert“, so Meyhöfer.
Für akute Fälle steht die pneumologische Intensivstation im Klinikum Siloah bereit. Sie bietet intensivpflichtigen Patient*innen mit schweren Atemproblemen, die von der Notaufnahme, anderen KRH Standorten oder Krankenhäusern hierher verlegt werden, eine spezialisierte Versorgung. „Wir sind auf komplexe pneumologische Situationen vorbereitet, führen täglich Bronchoskopien durch, können bei Bedarf eine ECMO einsetzen und bieten sämtliche Dialyseverfahren an“, erläutert Jan Schmieszek, Oberarzt der pneumologischen Intensivstation. ECMO steht für extrakorporale Membranoxygenierung, umgangssprachlich künstliche Lunge. Gerade zu den Hochzeiten der Corona-Pandemie war dies eine der letzten Therapieoptionen für schwerst erkrankte Patient*innen.
Sobald ein Patient oder eine Patientin erfolgreich stabilisiert worden ist und eine direkte Beendigung der Beatmung nicht möglich ist, kann die Verlegung auf die Weaningstation stattfinden, wo der Fokus dann gezielt auf der Entwöhnung liegt. Hier wird geschaut, wo die jeweiligen individuellen Probleme des Patienten mit der eigenen Atmung liegen und mit welchen therapeutischen Maßnahmen geholfen werden kann. „Wir schaffen es so, viele Patienten, die sonst in die außerklinische Langzeitbeatmung gehen würden, also auf einer nicht klinischen Intensivstation, einer sogenannten Beatmungs-WG, weiter beatmet werden müssten, genau davor zu bewahren“, bekräftigt Schmieszek. Dritter Bestandteil des Weaningzentrums ist die Heimbeatmungs-Station. Hier stellt das Behandlungs-Team bei über 200 Patient*innen pro Jahr die nicht invasive Beatmung (NIV = non-invasive ventilation) individuell ein. Diese Form der Beatmung über eine Maske ist wesentlich schonender als eine Intubation und führt zu erheblich weniger Komplikationen. Dazu erhalten die Patienten ihr individuell eingestelltes Heimbeatmungsgerät und werden im Umgang damit geschult. Während des nächtlichen Aufenthalts werden die Beatmungswerte gemessen und bei Bedarf wird zusätzlich eine Blutgasanalyse direkt auf Station gemacht, um die Wirkung der Therapie zu kontrollieren und bei Bedarf nachzujustieren. In derselben Weise wird bei rund 900 bereits versorgten Patienten pro Jahr die Behandlungsqualität regelmäßig überprüft.
Das Weaningzentrum im KRH Klinikum Siloah unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. med. Thomas Fühner ist als solches durch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zertifiziert eines von nur 65 bundesweit und dies bereits seit 2011. „Wir können unseren Patientinnen und Patienten eine hoch spezialisierte und für sie unabdingbare Expertise bieten und dies gepaart mit einem hohen ethischen Anspruch“, erläutert Fühner. Für Patient*innen wie Christa Schmitz ist das Weaningzentrum die Chance, um zukünftig mit so wenig Einschränkungen wie möglich wieder ein selbstständiges Leben im eignen Hause zu führen. „Das ist tatsächlich mein größter Wunsch: Wieder Normalität erleben, einfach zur Nachbarin auf einen Kaffee gehen oder einkaufen zu können.“ Aber nicht in allen Fällen sind die Entwöhnung und die Überleitung ins häusliche Umfeld oder in eine Beatmungs-WG möglich. Aufgrund der Schwere ihrer Krankheit gibt es auch Patienten, bei denen im Laufe der Therapie deutlich wird, dass eine Heilung oder eine akzeptable Lebensqualität nicht mehr erreichbar ist. In solchen Fällen ist unter Einbeziehung des Patientenwillens und der Angehörigen auch eine palliative Begleitung bis zum Ende hin möglich. „Wir gehen auch diesen Weg mit unseren Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen hier vor Ort auf unserer Station Schritt für Schritt gemeinsam“, so Meyhöfer