Auf den Rücksitzen des Polizeiautos wurden sie in jeder Kurve gegen die Türen gedrückt. Die Warnsirene klang durchdringend ins Wageninnere, außen leuchtete hell das Blaulicht. Kinderkrankenpflegerin Mirjam Bingel und Kinderarzt Dr. Axel Teichmann fuhren vor. Der Rettungswagen mit dem Transportinkubator für Neugeborene hinterher. Ihr Ziel: Eine Wohnung am Rande von Neustadt am Rübenberge. Eine Frau hatte völlig unerwartet eine Hausgeburt – in der 27. Woche. Als Bingel und Teichmann endlich ankamen, saß der Notarzt, der die Erstversorgung übernommen hatte, in seiner Not mit dem Neugeborenen auf dem Schoß vor dem offenen und laufenden Backofen. Er hatte keine andere Möglichkeit gehabt, das frühgeborene Kind zu wärmen.
Rollende Intensivstation
Umgangssprachlich werden Inkubatoren als Brutkästen bezeichnet. Sie sorgen bei Neu- und Frühgeborenen für eine sichere und altersgerechte Umgebung. „Berührungen, Töne, Licht, Temperaturschwankungen – alles ist neu und prasselt ohne Filter auf Augen, Ohren und Haut ein“, so Chefarzt Teichmann. „Wenn es in einer solchen Situation mit dem Rettungswagen auf eine Reise geht, dann brauchen wir dieses spezielle Gerät mit seinen Apparaturen.“ Das Ganze ist eine rollende Intensivstation. Der Transportinkubator verfügt über Infusionspumpen, um kontinuierlich Medikamente geben zu können, über Monitoringsysteme, die den Puls, die Atemfrequenz, die Sauerstoffsättigung des Blutes und den Blutdruck messen, über Absaug- und Beatmungsgeräte sowie ein Sauerstoff- und Druckluftsystem.
„Alles ist natürlich für Säuglinge und Frühgeborene ausgelegt“, verdeutlicht Bingel, die seit 36 Jahren auf der Kinderintensivstation in Neustadt arbeitet. „Beispielsweise wird die Atemluft noch angefeuchtet und vorgewärmt, bevor sie in die kindlichen und oft noch nicht ausgereiften Lungen strömen darf.“
Beim Notfall am Neustädter Stadtrand hatte die Familie noch nicht mit der Geburt gerechnet. „Der Mutter ging es gut und das Kind konnten wir retten“, erinnert sich Teichmann. Zwei- bis dreimal im Monat rückt ein Zweierteam der Neustädter Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde aus, um Kinder aus Nachbarkrankenhäusern zu holen oder in spezialisiertere Zentren zu verlegen. „Oft nutzen wir den Transportinkubator, um eine sehr hohe Sicherheitsreserve zu haben“, verdeutlicht Teichmann. „Aber es geht immer wieder auch um Schnelligkeit und auch um Leben und Tod.“