
Fassungslos sitze ich vor dem Arzt. Wegen unklarer Brustschmerzen habe ich mich untersuchen lassen. Dafür hat der Kardiologe keine Erklärung, aber er überrascht mich mit einer unerwarteten Diagnose: „Sie haben Bluthochdruck.“ Alles in mir wehrt sich. Ich bin 61, fühle mich fit, früher hatte ich sogar zu niedrigen Blutdruck. Doch leider bestätigt sich das Ergebnis wenige Wochen später auch bei meinem Hausarzt.
Ich bin nicht die Einzige. Im Gegenteil. 20 bis 30 Millionen Menschen in Deutschland haben Bluthochdruck. 30 Prozent der Betroffenen wissen noch nichts von ihren zu hohen Werten. Ein weiteres Drittel ist nicht gut eingestellt. Diese Zahlen nennt die Blutdruckliga. Was mich angeht, hat Prof. Dr. Andreas Franke, Chefarzt von Kardiologie und Rhythmologie am KRH Klinikum Mitte, durchaus eine Erklärung: „Mit zunehmenden Alter werden die Gefäße steifer.“ Und wenn das Blut vom Herzen in die Gefäße gepumpt wird, deren Wände aber nicht mehr so elastisch sind wie früher, führt dies zu erhöhtem Druck. Als weitere begünstigende Faktoren nennt der Spezialist zudem „Alkohol in regelmäßigen Mengen, Rauchen, starkes Übergewicht“. Auch Bewegungsmangel tut nicht gut.
Gerade ist die europäische Leitlinie aktualisiert worden: Die Empfehlung lautet, Patient*innen auf einen Wert unter 140/90 mmHg einzustellen. Diese Maßeinheit steht für „Millimeter Quecksilbersäule“. Der erste, höhere Wert (systolischer Blutdruck) bezeichnet den Blutdruck beim Herzschlag, der zweite Wert (diastolischer Blutdruck) misst den Druck auf die Gefäße, wenn der Herzmuskel erschlafft. Die Fachwelt unterscheidet zudem zwischen primärer Hypertonie, wenn keine organische Ursache vorliegt, und sekundärer Hypertonie: Letztere betrifft nur etwa zehn Prozent der Patient*innen. Bei ihnen sind eine Nierenerkrankung oder eine Hormonstörung die Ursache für Bluthochdruck. Wenn diese behandelt wird, kann der Blutdruck im besten Fall auf einen normalen Wert sinken.
Das Gefährliche an Bluthochdruck: Er bleibt oft unbemerkt und bereitet lange Zeit keine Probleme. Deshalb wird er auch „stiller Killer“ genannt. Prof. Dr. Jan Jakob Menne, Chefarzt der Klinik für Nephrologie und Angiologie am KRH Klinikum Siloah, nennt ihn „Hauptrisikofaktor für ernste Komplikationen“ wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschwäche und Nierenversagen. Manche Betroffenen sind genetisch vorbelastet: „Wenn beide Eltern vor dem 50. Lebensjahr Bluthochdruck entwickelt haben, dann haben deren Kinder ein Risiko von 50 Prozent, ebenfalls daran zu erkranken.“
Die Tatsache, dass knapp ein Drittel der von Bluthochdruck Betroffenen medikamentös nicht gut eingestellt ist, kann laut Prof. Dr. Franke unterschiedliche Ursachen haben: „Mancher Medizinerkollege verfolgt es nicht konsequent. Es gibt auch Patienten, die Medikamente eigenmächtig wieder absetzen.“ Gerade für Erkrankte, die bis zu sieben, acht Medikamente (auch wegen anderer zusätzlicher Erkrankungen wie etwa Diabetes) täglich einnehmen müssen, hat Prof. Dr. Menne ein wenig Verständnis, wenn sie sagen: „Ich bin doch keine Apotheke.“ Er betont, dass es sehr viel Disziplin abverlangt, lebenslang Arzneien verordnet zu bekommen und gewissenhaft einzunehmen. Bei Blutdrucksenkern sei anfangs auch Durchhaltevermögen gefragt: „In der ersten Zeit fühlen sich manche Menschen etwas weniger leistungsfähig oder auch kälteempfindlicher. Aber das gibt sich mit der Zeit.“ Am KRH Klinikum Siloah werden Patient*innen auch ambulant eingestellt.
Bei mir hat es übrigens auf Anhieb geklappt: Ich nehme jetzt täglich eine halbe Tablette. Seitdem beträgt mein Blutdruckwert 120/80. Das freut den Arzt – und mich erst recht.
Was jeder selbst tun kann
Durch einen veränderten Lebensstil lässt sich Bluthochdruck beeinflussen.
- Wer Übergewicht hat und zehn Kilo abnimmt, kann seinen Wert um bis zu 15 Punkte verbessern.
- Ausdauersport oder auch isometrische Übungen, wie man seit Kurzem weiß, haben nachgewiesen messbare Effekte.
- Sehr mäßiger Alkoholgenuss und Nikotinverzicht wirken immer positiv.
- Eine ausgewogene, gesunde Ernährung (wenig Salz!) ist ebenfalls ein Hebel, den jeder bewusst nutzen kann.