Es ist ein ganz natürlicher Kreislauf: Das Baby wird an die Brust gelegt und gestillt – durch diesen Anreiz wird erneut Milch produziert, die beim nächsten Stillvorgang wieder vom Säugling abgesaugt wird. „Das Stillen liegt uns sehr am Herzen, es ist am besten und verlässlichsten für das Kind“, betont Dr. Hubert Sommer, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge. Ohne das bewährte Prinzip des Stillens, so Dr. Sommer, wäre die Menschheit längst ausgestorben. „Meiner Ansicht nach kann jede Frau stillen und 95 Prozent unserer Patientinnen tun dies direkt nach der Geburt auch.“ Wenn später nicht gestillt werde, habe das eher psychologische Ursachen oder es gebe schwierige Rahmenbedingungen. Es gehe da um körperliche, emotionale oder organisatorische Aspekte. Natürlich gebe es Sonderfälle wie etwa eine schwere Erkrankung oder Medikamenteneinnahme. „Während dieser Zeiten kann aber abgepumpt und temporär zugefüttert werden, damit die Milch nicht versiegt.“ Im Klinikum werden die jungen Eltern über das Stillen aufgeklärt, „die Hebammen, Schwestern, Ärztinnen und Ärzte – alle legen den Müttern das Stillen nahe.“ Sämtliche Hilfestellungen werden angeboten, auch Gespräche. Es gibt aber Faktoren, die zu einer tatsächlich unzureichenden Milchproduktion führen können, etwa reglementierte Stillzeiten – also nicht nach Bedarf –, unkorrekte Anlegetechnik, fehlender Milchspendereflex – ein durch das Saugen eines Säuglings bei der Mutter ausgelöster Reflex zur Stimulierung der Milchabgabe – oder eine ineffektive Saugtechnik des Kindes. Ein pathologischer Milchstau wiederum kündigt sich typischerweise durch stechende bis ziehende Schmerzen und überwärmte und verhärtete Stellen in der Brust an. Mütter sollten dann unbedingt weiterstillen, zudem helfen das Massieren der Brust vor jeder Fütterung, Abpumpen zwischen den Stillsitzungen, Positionswechsel und warme Kompressen. „Grundsätzlich ist jede Frau in der Lage zu stillen“, sagt Kathrin Röder, Leitung der Gynäkologie und Geburtshilfe-Station im KRH Klinikum Gehrden. Die WHO empfiehlt, sechs Monate voll zu stillen. In der Praxis versorgen rund 85 Prozent der Mütter ihre Babys in den ersten Monaten mit Muttermilch. „Für die Milchbildung ist es wichtig, die Neugeborenen so oft wie möglich anzulegen“, betont Röder. Auch das frühzeitige Bonden – intensiver Hautkontakt mit dem Baby – ist dabei unterstützend.
Die ausgebildete Kinderkrankenschwester kennt aber auch Gründe, die den Milchfluss versiegen lassen. Stress, Schmerzen und Übernächtigung könnten die Milchbildung reduzieren. Auch eine Trennung von Mutter und Kind könne die Milchbildung beeinträchtigen. Und nicht zuletzt führen die zunehmenden kosmetischen Brustoperationen immer wieder zu Problemen beim Stillen, so Röder. Die Tendenz zum Stillen im KRH steige, sagt Anke Brauer, zuständig für die Stillberatung im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge. Laut der Nationalen Stillkommission beginnen 90 Prozent der Mütter mit dem Füttern an der Brust, nach zwei Monaten werden noch 70 Prozent der Säuglinge gestillt, nach sechs Monaten sind es nur noch 40 bis 50 Prozent. Der Verlauf des Milchflusses sei immer individuell, ein frühes Anlegen sowie Bruststimulation wie Massage seien wichtig, sagt auch Brauer. „Außerdem rate ich: so viel Hautkontakt mit dem Baby wie möglich. Dabei wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, das wiederum fördert den Milchfluss.“ „Probleme bereiten vor allem Brustentzündungen und Brustverhärtungen, die das Stillen sehr schmerzhaft machen“, betont Dr. Lavin Mohamad, Oberärztin in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Neustadt am Rübenberge. „Entzündliche Prozesse oder aber auch sehr hoher Blutverlust unter der Geburt oder im Körper zurückgebliebene Fragmente der Plazenta können die Milchbildung verzögern.“ In der Regel aber klappe der Milcheinschuss, „die Natur hat das im Griff“. Dr. Mohamad empfiehlt das Stillen für mindestens sechs Monate. Es sei genauso essenziell wie das Bonding. Der intensive Haut-zu-Haut-Kontakt sei vor allem in den ersten Stunden nach der Geburt wichtig.