
Soumaya Essid auf dem Gelände des KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge.
Als Soumaya erfuhr, dass sie als Pflegefachkraft in Deutschland arbeiten kann, zögerte sie nicht lange. Mit fünf Jahren Berufserfahrung im Gepäck startete sie parallel zu ihrer Arbeit einen Deutschkurs – ihr Ziel war das B2- Sprachzertifikat, eine wichtige Voraussetzung für die Berufsanerkennung in Deutschland. Mit viel Engagement bereitete sie sich auf die Prüfung vor und meisterte sie erfolgreich. Nach mehreren Bewerbungen und einem digitalen Vorstellungsgespräch erhielt sie schließlich die Zusage vom KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge. Dann folgte der große Schritt: Allein und fern ab von Partner, Familie und Freunden, zog sie in ein fremdes Land, um ihre beruflichen und persönlichen Ziele zu verfolgen.
Soumaya arbeitet seit sechs Jahren auf der Station 71, der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, im KRH Neustadt am Rübenberge. Als Pflegefachkraft hat sie sich hier nicht nur beruflich etabliert, sondern auch ein neues Zuhause gefunden. Aber der Anfang war nicht leicht. Als sie vor vielen Jahren aus Tunesien kam, musste sie sich zunächst in einer fremden Umgebung zurechtfinden. Die Sprache war eine große Herausforderung, und die beruflichen Abläufe waren neu für sie. Doch diese Hindernisse konnten Soumaya nicht aufhalten – im Gegenteil: Sie begegnet jeder neuen Hürde mit Entschlossenheit und einer positiven Einstellung.
Im Berufsalltag ließ sich „Susu“ – wie sie von ihren Kolleg*innen liebevoll genannt wird – von Sprachbarrieren nicht aufhalten. Sie war überzeugt, genauso qualifiziert zu sein wie ihre Kolleginnen, und das Team erkannte das schnell. Sie stellte Fragen, übernahm Verantwortung und zeigte Eigeninitiative. Es gab auch zwei Praxisanleiterinnen auf der Station, die sie intensiv während der Einarbeitung begleiteten. Dank ihrer proaktiven Art und der Unterstützung des gesamten Teams dauerte es nicht lange, bis sie nicht mehr die „Neue" war, sondern eine geschätzte Kollegin, der man auch komplexe Fälle anvertraute. Ihre fünf Jahre Berufserfahrung zahlten sich dabei aus.
Die ersten Wochen in Deutschland waren geprägt von der Suche nach einem passenden Zuhause. Im Wohnheim musste sie sich ein Zimmer mit einer Mitbewohnerin teilen, mit der das Zusammenleben nicht einfach war. Die Unsicherheit belastete sie schwer. „Ich war oft unsicher und habe mich gefragt, ob ich hier richtig bin. Es war keine einfache Zeit." In dieser belastenden Situation zeigte sich wahre Menschlichkeit durch das persönliche Engagement von Angela Schurr, Pflegedienstleitung im KRH Klinikum Neustadt. Als Schurr von Soumayas Situation erfuhr, öffnete sie ihr Herz und nahm Soumaya vorübergehend bei sich auf. Sechs Wochen lang unterstützte Schurr Soumaya tatkräftig bei der Wohnungssuche, half ihr schließlich beim Umzug und stand ihr sogar bei der Einrichtung zur Seite. Auch beruflich unterstützte sie Soumaya von den ersten Schritten im Anerkennungsprozess bis zur Integration in den Klinikalltag als vertrauenswürdige Ansprechpartnerin. Diese menschliche Geste war für Soumaya weit mehr als eine praktische Hilfe – sie markierte den Beginn eines neuen Heimatgefühls. Für sie wurde deutlich: Integration beginnt nicht nur mit Sprache, sondern vor allem mit Menschlichkeit.
Einige Jahre später stellte das Leben sie vor eine neue Herausforderung: Nach einem Heimaturlaub war sie ungeplant schwanger. Ihr Mann lebte noch in Tunesien und hatte zwar bereits das Familiennachzugsverfahren angestoßen. Doch durch die Corona-Pandemie verzögerte sich alles erheblich. Noch dazu handelte es sich um eine Risikoschwangerschaft. Die ganze Unsicherheit ging ihr ziemlich unter die Haut.
Die Diagnose bedeutete für Soumaya strikte Bettruhe. Arbeiten war nicht möglich, selbst alltägliche Tätigkeiten wie Einkaufen oder Hausarbeit wurden zur Herausforderung. In dieser Situation unterstützen sie ihre Kolleg*innen und neu gewonnenen Freunde: Sie halfen beim Einkaufen, übernahmen die Hausarbeit und standen ihr bei. Ohne diese Hilfe und mit ihrer so weit entfernt lebenden Familie in Tunesien wäre diese Zeit kaum zu bewältigen gewesen.
Dann wendete sich plötzlich das Blatt: Nur eine Woche vor der Geburt ihres Kindes erhielt ihr Mann das lang ersehnte Visum und konnte rechtzeitig an ihrer Seite sein – ein Moment voller Erleichterung und Glück.
Heute arbeitet Soumaya auf derselben Station. Sie verfügt über einwandfreie Deutschkenntnisse. Auch ihr Mann hat intensiv Deutsch gelernt und heute eine Vollzeitstelle, ihr Sohn Yakob geht in die Kita. Die kleine Familie fühlt sich in Deutschland angekommen und reist aktuell dreimal im Jahr nach Tunesien, um die Verwandten zu besuchen.
Ihre Geschichte zeigt, wie wichtig gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt sind. Heute betont sie: „Integration ist nicht individuell begrenzt, sondern ein dynamischer, gemeinschaftlicher Prozess.“