
Nikotinpflaster, Hypnose, Akupunktur, Medikamente oder Rauchentwöhnungsseminare:
Regelmäßig versuchen Raucher mit verschiedenen Hilfsmitteln, von der Zigarette loszukommen. „Nikotinsucht ist die gefährlichste Sucht. Und bisweilen reicht eine Zigarette für die Abhängigkeit – physisch und psychisch“, konstatiert Dr. Isabelle Renger, pneumologische Oberärztin im KRH Klinikum Siloah und Ansprechpartnerin für das „Rauchfrei“-Programm in der Klinik. Es richtet sich an Männer und Frauen, die an den Folgeerkrankungen des Tabakkonsums leiden. Zu den Folgeerkrankungen zählen Bronchialkarzinom, Lungenemphysem und COPD mit chronisch entzündeten sowie dauerhaft verengten Atemwegen. Genauso können aber auch Raucher, die nicht am KRH in Behandlung sind, die „Rauchfrei“-Seminare besuchen.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das Programm (www.rauchfrei-info.de) initiiert, in den meisten Fällen wird es von den Krankenkassen bezahlt, beispielsweise von der
AOK Niedersachsen. Ein Raucher, der das Laster loswerden will, kann daher den Hausarzt oder direkt die Kasse wegen einer Programmteilnahme ansprechen.
In Deutschland rauchen rund 23,8 Prozent der Menschen ab 18 Jahren. Bei den Männern betrifft das 27 Prozent, von den Frauen greifen 20,8 Prozent zum Glimmstängel. Erfreulicherweise ist unter den Jugendlichen ein deutlicher Rückgang beim Konsum zu beobachten. Dennoch, 121.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr vorzeitig an den Folgen des Rauchens.
Unzählige Abhängige versuchen loszukommen von der Droge Zigarette. Das Schwerste beim Aufhören sei es, die Verhaltensgewohnheiten zu verändern, erläutert Dr. Isabelle Renger. „Der körperliche Entzug ist nach wenigen Tagen überwunden. Gewohnheiten wie der Griff zur Zigarette nach dem Essen, zur Pause oder auf der Party sind ungleich schwerer zu überwinden.“ Wichtigste Voraussetzung ist aber der eigene Wunsch nach Abstinenz: „Innere Überzeugung hilft mehr als jede Belehrung.
“Für einen leichteren Ausstieg sind bereits seit Jahrzehnten Nikotinersatzpräparate auf dem Markt, auch Verhaltenstherapien werden angeboten. Nur bei Kettenrauchern, die alles andere bereits ausprobiert haben und trotzdem nicht von der Zigarette loskommen, können E-Zigaretten als Hilfsmittel erwogen werden. „Beim sogenannten Dampfen entstehen nach heutigem Wissensstand weniger Schadstoffe“, sagt Dr. Renger. Die Ärztin sieht in dem Umstieg allerdings nur eine Suchtverschiebung. „Die Tanks der E-Zigaretten werden immer größer – und was die Substanzen wirklich in der Lunge anrichten, weiß noch keiner so genau.“
Weniger Schadstoffe wie bei der E-Zigarette, die keinen Tabak enthält, können daher für sehr starke Raucher grundsätzlich ein Anfang zum Ausstieg sein. Schließlich ist Tabakkonsum maßgeblich ausschlagegebend für etliche Krebsarten, aber auch Herzinfarkte. „Nicht nur Bronchialkrebs, auch bei Brust-, Darm- oder Lungenkrebs spielt das Rauchverhalten eine große Rolle“, so Dr. Renger. Die Fachärztin setzt daher auch im KRH auf das von den Krankenkassen unterstützte und von Psychotherapeuten entwickelte „Rauchfrei“-Programm. „Dabei geht es darum, vor allem auch psychisch in sechs Wochen vom Raucher zum Nichtraucher zu werden.“ In den ersten drei Wochen dürfe dabei weiter gequalmt werden, „das nimmt Druck und Angst“, sagt Dr. Renger.
Danach ist Schluss mit den Glimmstängeln. In dem Programm geht es um negative genauso wie um positive – nämlich soziale – Aspekte des Rauchens. Bei den wöchentlichen Treffen „sprechen wir in der Gruppe im Seminarraum des Siloah dann über die Nachteile des Rauchens, angefangen von Husten, Hautveränderungen bis zur sozialen Ablehnung von Rauchern in der zunehmend rauchfreien öffentlichen Gesellschaft. Wichtig ist, sich Ziele zu setzen und herauszufinden, weshalb es sich lohnt, aufzuhören“, betont die Pneumologin. „Dazu kann der Wunsch nach einem Marathon genauso gehören wie der Gedanke an Zukunft, Gesundheit, Geldersparnis und die Vorbildfunktion für die Enkel.“
Die letzte Zigarette, so erzählt die Medizinerin, werde in den Seminaren gemeinsam geraucht und zelebriert. „Schritt für Schritt wollen wir dann hinbekommen, kein Sklave der Sucht mehr zu sein. Erfolg versprechend sind veränderte Aktivitäten wie Spaziergänge, Kinobesuche, Hobbys und auch neue Alltagsroutinen. Außerdem werden die Aussteiger auch nach den sechs Wochen noch durch „Kontrollanrufe“ begleitet. „Ein Zaubermittel gibt es nicht, man muss Geduld haben.“
Die Hälfte der Seminarteilnehmer sei nach einem Jahr noch Nichtraucher, die andere wird rückfällig. Die Pneumologin und Internistin: „Das ist eine gute Bilanz, die Rauchentwöhnung ist ein schwieriges Geschäft. Schärfere Raucherschutzgesetze, die Zigaretten aus dem Alltag verbannen, wären natürlich besonders hilfreich.“