Immer mehr Menschen gehen mit ihren Beschwerden in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Dass diese teilweise überfüllt und überlastet ist, liegt auch daran, dass nicht alle Hilfesuchenden dort richtig sind. „Hierfür gibt es hauptsächlich zwei Gründe“, sagt Moritz Lorentzen, Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge, „erstens das Nichtwissen über das Gesundheitssystem, das die Behandlung ambulanter Patientinnen und Patienten für den niedergelassenen Bereich und den kassenärztlichen Notdienst vorsieht.“ Dies gelte auch für Notfälle ohne vitale Bedrohung wie zum Beispiel einen Insektenstich, eine leichte allergische Reaktion, einen umgeknickten Fuß oder ein verdrehtes Knie. „Der zweite Grund ist eine Unterversorgung im ambulanten Sektor. Bei Überlastung der Hausarztpraxis oder fehlendem Facharzttermin erfolgt schnell die Einweisung ins nächste Krankenhaus.“
Die Anzahl der Patient*innen in den Notaufnahmen ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen, auch während der Corona-Pandemie hielt dieser Trend an.
Lag die Anzahl der Patientenkontakte im KRH Klinikum Neustadt vor knapp zehn Jahren bei circa 20.000, liegt sie nun bei über 26.000 Fällen. Wie stemmt das Team der Notaufnahme diese Aufgabe? „Als ZNA-Team sind wir wie Zahnräder, die ineinandergreifen“, sagt Sandra Figoluschka, die pflegerische Leitung der Notaufnahme im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge. „Alle Berufsgruppen arbeiten am gemeinsamen Ziel einer optimalen Patientenversorgung, und während der Arbeit coacht und unterstützt man sich gegenseitig.“ In die Notaufnahme kommen Menschen mit sehr verschiedenen Krankheitsbildern. „Wir haben ein breites Spektrum an Erkrankungen hier“, sagt Lorentzen. „Von der 19-jährigen Patientin mit einer lebensbedrohlichen Herzmuskelentzündung, die in der ambulanten Versorgung nicht entdeckt wurde, bis hin zum Patienten, der seit drei Wochen unter Rückenschmerzen leidet und eigentlich beim niedergelassenen Orthopäden richtig aufgehoben wäre.“ Mit einer Pädiatrie im Haus ist das Klinikum Neustadt Anlaufpunkt für Kinder aller Altersgruppen. Das große Einzugsgebiet umfasst ungefähr 100.000 Einwohner*innen, andere Krankenhäuser sind teilweise nur sehr umständlich zu erreichen. Als regionales Traumazentrum ist es zudem für die Versorgung von Unfallverletzten sehr wichtig.
Gleich nach Ankunft in der ZNA werden die Patient*innen durch eine Pflegekraft triagiert, das heißt, die Dringlichkeit einer akuten Behandlung wird ersteingeschätzt. Es werden die Vitalparameter gemessen und im Bedarfsfall sofort ein*e Ärzt*in hinzugezogen. „Wir optimieren ständig unsere Prozesse, in regelmäßigen Teambesprechungen wird die Arbeit reflektiert“, sagt Sandra Figoluschka. Wie auch in anderen Abteilungen sind kurzfristige Krankheitsausfälle im Team eine besondere Herausforderung und sorgen für eine zusätzliche Verdichtung der Arbeit. Ganz besonders unter Druck steht auch die Pflegefachkraft am sogenannten Service-Point. Sie nimmt die fußläufigen Patient*innen an und muss parallel noch Telefonanrufe vom Rettungsdienst oder von Arztpraxen annehmen und gegebenenfalls weiterverbinden. Dabei muss sie den Patient*innen die Abläufe erklären, sie muss sie beruhigen und Angehörige nach Hause schicken: eine extrem anspruchsvolle Tätigkeit.
So wichtig wie die interprofessionelle Zusammenarbeit im Notaufnahmeteam ist auch die Vernetzung mit den anderen Abteilungen im Haus. Sind auf der Station noch Betten frei? Muss der Patient vielleicht beatmet und auf die Intensivstation verlegt werden? Liegt ein Herzinfarkt oder Schlaganfall vor, muss weitere Diagnostik im Herzkatheterlabor oder im CT/MRT erfolgen und ein Platz auf der Chest Pain Unit oder der Stroke Unit organisiert werden? Oder muss sofort ein OP-Saal vorbereitet und das Team im OP informiert werden? „Hier sind schnelle Entscheidungen und eine gute Kommunikation wichtig. Man muss sich auch untereinander verstehen“, sagt Figoluschka. „Mit leichten Erkrankungen kann die Wartezeit manchmal gut und gern fünf bis sechs Stunden dauern. Wir versuchen dann zu erklären, warum es so lange dauert, und Druck herauszunehmen. Dass alles funktioniert nur, weil wir alle füreinander einstehen und zusammenarbeiten. Ich bin sehr froh, mein Team zu haben.“