Das Smartphone ist ein vermeintlicher Alleskönner. Es lässt Menschen miteinander reden, surfen, spielen, einkaufen, Musik hören, Filme schauen, Dates verabreden und vieles mehr. Ungefähr 50-mal pro Tag schaut der Durchschnittsuser laut einer Erhebung des Online-Portals Statista auf sein Gerät und wird dabei unmerklich zum Sklaven seiner Nutzungsgewohnheiten.
Auch die Sucht nach Computer- oder Konsolenspielen ist in sämtlichen Gesellschafts- und Altersschichten zu finden. Ähnlich wie es bei stoffgebundenen Süchten – wie denen nach Nikotin oder Alkohol – möglich ist, entwickelt der Betroffene eine psychische Abhängigkeit vom Spielen. Die sogenannte EEG (Elektroenzephalografie) zeigt, dass bei positiven Erlebnissen in der Spielwelt der Glücksbotenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. Das spielsuchtgefährdete Gehirn lernt somit, sich selbst zu belohnen. Dabei verkümmern andere Reizauslöser, die ebenfalls Glücksgefühle auslösen könnten.
Heute gehört es zum Alltag, viel Zeit im Internet und am PC zu verbringen“, sagt Kristian Fleischer, Psychiater in der Institutsambulanz der KRH Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Wunstorf. Und ein Smartphone sei längst kein Telefon mehr, sondern ein Alltagswerkzeug. „Verbote sind unrealistisch. Aber man kann versuchen, Medienzeit sinnvoll zu begrenzen“, so Fleischer. Vor allem junge Menschen mit sozialen Ängsten würden sich im Kontaktraum Internet und in sozialen Medien oft wohler fühlen. „Sie haben im Netz eher das Gefühl von hundertprozentiger Kontrolle“, erläutert der Jugendpsychotherapeut. Es sei für viele einfacher zu chatten als in die reale Welt in ein Café zu wechseln oder einfach persönlich zu telefonieren.
Vor allem bei der stationären Behandlung junger Patienten wird darauf geachtet, eine Handynutzung nicht rund um die Uhr zu ermöglichen. „Es ist schwierig zu beurteilen, wo der Suchtbereich beginnt“, sagt Fleischer. Auch was mit dem Smartphone oder im Internet wirklich gemacht wird – Schulaufgaben oder Onlinespiele? Spiel- oder Handyabhängigkeit ist für Katja Püttker, Psychologische Psychotherapeutin in der Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie im KRH Wunstorf, gleichzusetzen mit sogenannten stoffgebundenen Süchten. „Soziale Plattformen werden zwanghaft und dauernd gecheckt. Um aus dieser Endlosschleife zu gelangen, müssen User lernen, das Internet als Werkzeug zu benutzen und nicht als Ablenkung.“ Abstinenz sei keine Lösung, „allerdings kann sie helfen, bestimmte Plattformen zu löschen und sich selbst die Medienzeit zu beschränken“, meint Püttker. Etwa, indem man sich zum Checken von E-Mails oder anderen Nachrichten nur ein bestimmtes kleines Zeitfenster am Tag einräumt.
Püttker und Fleischer empfinden es als problematisch, dass es in Bezug auf Internetnutzung keine sozialen Regeln gebe. Im Alltagsleben der Menschen spiele die extrem häufige Nutzung daher schnell eine zentrale Rolle. „Wenn alles andere hinter den ständig verfügbaren Smartphonekonsum zurückgestellt wird, kommt das reale Leben zu kurz“, so Fleischer. Den Jugendlichen sei zwar vordergründig mit Handy oder Konsole nie langweilig, aber „sie leiden trotzdem, denn sie sind oft allein“. Katja Püttker beobachtet hinsichtlich des Medienkonsums auch eine eingeschränkte Vorbildfunktion von Erwachsenen. „Wenn per Familienchat zum Abendessen gerufen wird, sollte das hinterfragt werden.“ Wer ständig im Netz lebe, dem fehle der Abgleich mit der Wirklichkeit. „Viele glauben, dass es ihnen in der Onlinewelt deutlich bessergeht, spüren aber die Grenze nicht, ab der sich dieses Gefühl ins Gegenteil verkehrt“, sagt Fleischer.
Die Abhängigkeit von Computer und sozialen Medien sei eine ernsthafte Erkrankung, betont Püttker. „Die Sucht nimmt immens viel Zeit in Anspruch. Dauernutzer sind erschöpft, schlafen vor und mit den Geräten ein, vernachlässigen Körperpflege, Schlaf, Nahrung und Kontakte.“ Häufig geht Medienabhängigkeit mit anderen psychischen Störungen wie einer sozialen Phobie oder auch Depressionen einher. Einen einfachen Weg aus dem Netz gibt es indes nicht. „Stärkung der sozialen und emotionalen Kompetenzen, Training von Konfliktlösungen und Alternativstrategien sind ein guter Weg“, meint die Psychotherapeutin. Man könne das Handy oder den Messenger durchaus öfter auf Flugmodus stellen. Den Experten ist bewusst, dass das Internet etwa auch beim E-Learning aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. „Als Orientierung ist das in Ordnung. Aber Erwachsene müssen jungen Menschen beim Einsortieren und Bewerten der Informationen helfen. Das Internet ist praktisch, aber es ersetzt nicht selbst erarbeitetes Wissen und eigene Erfahrungen.“
Wenn Augen leiden
Jedes zehnte Kind in Deutschland kann nicht richtig sehen, mehr als ein Drittel der jungen Erwachsenen sind kurzsichtig, so der Berufsverband der Augenärzte Deutschland. Grund dafür, so die Experten, ist vor allem die zunehmende Nutzung von Smartphones, Tablets und Computern. Für die Augen ist das ständige Starren auf ein Display eine enorme Belastung, weil sie dabei nur in der Nähe sehen. Unser wichtigstes Sinnesorgan aber ist darauf ausgelegt, ständig zwischen Nah- und Fernsicht zu wechseln. Wer den ganzen Tag auf sein Smartphone oder seinen Computerbildschirm schaut, gibt den Augen zu wenig Abwechslung. Das permanente Nahsehen auf dem Handy schadet auf Dauer Muskeln und Sehnerv. Die Folge: Augen jucken, tränen, schmerzen, flimmern und ermüden. Fachleute sprechen auch von der „digitalen Augenkrankheit“.