Nicht mehr Herr seiner Sinne sein: Tumoren oder neurogenerative Erkrankungen sind auch Auslöser für Geschmacks- und Riechverlust oder ein gestörtes Gleichgewicht.
Jemanden nicht riechen oder etwas nicht mehr hören zu können sind Gefühle des Alltags – sofern sie im übertragenen Sinn gemeint sind. Nehmen allerdings wirklich Hör- oder Riechfähigkeit ab, bedeutet das für die Betroffenen mitunter große Einschränkungen. „Im Laufe des Alters können die Sinne leiden“, betont Prof. Dr. Dr. Hans-Jürgen Welkoborsky, Chefarzt der HNO-Klinik im KRH Klinikum Nordstadt. Das betreffe Gehör, Sehfähigkeit, Geruch und Geschmack sowie den Gleichgewichtssinn gleichermaßen.
„Wenn das Riechfeld in der oberen Nase etwa durch eine Entzündung beeinträchtigt wird, nehmen Patienten weniger Gerüche wahr“, so Prof. Welkoborsky. Anatomische Veränderungen in der Nase, aber auch Medikamente können das Riechen ebenfalls stören. „Der Geschmack wiederum ist eng an die Riechfähigkeit gekoppelt“, erklärt der Mediziner. Wer schlecht riechen könne, dessen Geschmackssinn leide in der Regel ebenfalls. Geruchs- und Geschmacksstörungen können zudem Frühsymptome einer neurodegenerativen Erkrankung sein, „etwa von Alzheimer oder Parkinson“. Und natürlich spielen Ernährung und Tabakkonsum eine wichtige Rolle beim Schmecken und Riechen.
Schwindel kommt im Alter
Was das Gehör betrifft, so gehen laut Prof. Welkoborsky im Laufe des Lebens die sogenannten Haarzellen schlicht kaputt – „sei es durch Verschleiß oder Krankheiten wie etwa Tumoren“. Den Patienten fallen dann zunächst das Richtungshören sowie das Erfassen hoher Töne schwer. „Wir nennen das den Partyeffekt, man versteht sein Gegenüber bei Hintergrundgeräuschen immer schlechter“, sagt der Professor.
Ein Hörsturz indes sei eine ohne erkennbare Ursache plötzlich auftretende, in der Regel einseitige, Schallempfindungsschwerhörigkeit mit unterschiedlichem Schweregrad bis hin zur Ertaubung. „Klinische Symptome sind akuter Hörverlust, ein dumpfes Gefühl im Ohr, Schwindel sowie ein betäubtes Hautempfinden“, sagt Prof. Welkoborsky. Ein Hörverlust, unabhängig vom Auslöser, könne kaum rückgängig gemacht werden. „Hilfsmittel wie Hörgeräte funktionieren, darüber hinaus ist der Hörverlust schwer therapierbar.“
Vor allem ältere Menschen klagten zudem häufiger über Schwindel. „Auch dafür können Medikamente, Durchblutungsstörungen, aber auch psychische Belastungen ursächlich sein.“ Eine sehr differenzierte Diagnose auch unter Einbeziehung der Neurologie sei daher wichtig bei Schwindelproblemen. Treten sie etwa plötzlich oder einseitig auf, lasse das auch auf akute Vorfälle wie Schlaganfall oder Tumore schließen. „Altersbedingte Veränderungen kommen eher nach und nach“, so Prof. Welkoborsky.
Viele Sinnesausfälle können mittlerweile gut therapiert werden. „Es gibt etwa gezieltes Riechtraining, Hörgeräte und Cochlea-Implantate, bei Schwindel können je nach Ursache Physiotherapie oder Medikamente zur Verbesserung der Durchblutung helfen.“
Dem Neurologen und ehemaligen Chefarzt der Klinik für Neurologie, Prof. Dr. Andreas Schwartz, begegneten in der Klinik auch Patienten mit sogenannten Wahrnehmungsproblemen. „Menschen können etwa ihre Wahrnehmung der Außenwelt verlieren.“ Aber auch Eigenempfindung, Wahrnehmung von Körperbewegung und -lage im Raum oder die Stellung einzelner Körperteile zueinander können verloren gehen, ebenso wie das Spüren von Organtätigkeiten.
Herr der Lage
„Der Lagesinn, der Informationen über die Position des Körpers im Raum und die Stellung der Gelenke und des Kopfes liefert, oder der Kraftsinn, der Informationen über den Spannungszustand von Muskeln und Sehnen vermittelt, kann vor allem mit zunehmendem Alter gestört sein“, erklärt Prof. Schwartz. Diese Sinne würden über Bahnen zum Gehirn geleitet, „jede Unterbrechung dieser Bahnen durch einen Tumor oder einen Schlaganfall führt zu Ausfällen“.
Das Gleichgewicht halten
Auch Unfälle mit Verletzungen der Wirbelsäule oder der Halswirbelsäule oder Erkrankungen wie Multiple Sklerose können diese Empfindungsstörungen auslösen. „Wenn ein Ausfall halbseitig auftritt, kommt ein Schlaganfall als Ursache in Betracht“, betont der Mediziner. Entwickeln sich Störungen über Tage, sei von einer Entzündung auszugehen, bei langsam stärker werdenden Beschwerden von einem Tumor.
Sensibilität benötige der Mensch vor allem zur Körpersteuerung, wie Prof. Schwartz erläutert. „Das Gleichgewichtsorgan ermöglicht, zu stehen oder sich im Raum zu bewegen.“ Hirntumoren oder Erkrankungen wie Multiple Sklerose sowie Hirnblutungen durch einen Schlaganfall führten zu einem Ausfall dieser Steuerung. Und je nach Diagnose kann dem Ausfall buchstäblich auch gegengesteuert werden. „Bei einem Glioblastom etwa gibt es nur wenige Möglichkeiten, eine entzündliche Erkrankung indes kann vor allem mit medikamentöser Unterstützung ausheilen“, betont Prof. Schwartz.