Dominic M.* traut sich wieder mehr. Er kann inzwischen wieder mit anderen Menschen Kontakt aufnehmen, auch mit Fremden. Und er hat seinen Haushalt wieder im Griff, seitdem seine Ergotherapeutin mit ihm gemeinsam einen Plan entwickelt hat, was wann zu machen ist. Das war nicht immer so: Drei Jahre zuvor lebte Dominic allein und zurückgezogen in seiner verwahrlosten Wohnung. Er war abhängig von Cannabis und litt unter einer nicht erkannten Psychose. Diese wurde nicht durch die relativ milde Droge ausgelöst, sie war aber vermutlich die Ursache für den missbräuchlichen Umgang, der zur Sucht führte. Ein stationärer Aufenthalt war nötig, sechs Monate lang wurden Sucht und Psychose zeitgleich behandelt. Nach seiner Entlassung direkt ins sein heimatliches Umfeld zu wechseln war nicht vorstellbar: „Wenn das geschützte Umfeld der Klinik auf einmal komplett wegbricht und Patienten wohlmöglich auch noch weitgehend auf sich allein gestellt sind, ist das für viele ein zu heftiger Bruch“, so Dr. med. Claudia Wilhelm-Gößling, Chefärztin der Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie in der KRH Psychiatrie Wunstorf. Zu ihrer Klinik gehört auch die Tagesklinik Deisterstraße in Hannover-Linden, deren Aufgabe es ist, genau diesen Bruch abzufedern. Die Patienten und Patientinnen erleben hier tagsüber den therapeutisch begleiteten Aufenthalt in der Tagesklinik und sind abends und morgens in ihrem eigenen Umfeld. So können sie ihre neu erlernten Verhaltensweisen erproben und im Anschluss mit ihren Therapeuten reflektieren und weiterentwickeln.
Tagsüber Entzug, abends zu Hause
Die besondere Leistungsfähigkeit der Tagesklinik Deisterstraße zeigt sich darin, dass hier sogar Entzugsbehandlungen durchgeführt werden – also das Absetzen einer Droge, was schwere psychische und körperliche Aussetzungserscheinungen mit sich bringen kann. „Dies leisten wir vor allem bei Patienten mit Alkoholsucht, aber auch bei anderen Suchtstoffen“, erläutert Frauke Gossé, Oberärztin und Leiterin der Tagesklinik. „Nur Patienten, die bereits schwierige Entzüge hinter sich haben, behandeln wir nur in Ausnahmefällen, da das Risiko lebensgefährlicher Komplikationen bei ihnen oft zu hoch ist.“
Fließende Übergange
Ein weiterer Baustein der Versorgung ist die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA), die nur wenige Schritte über den Flur von der Tagesklinik entfernt ist. Hier erfahren die Patienten eine ambulante Behandlung durch ein multiprofessionelles Team aus Psychologischen Psychotherapeuten, Ärzten, Ergotherapeuten und spezialisierten Pflegekräften. Dies kann sowohl im Nachgang an eine vollstationäre und tagesklinische Therapie geschehen, aber auch hiervon losgelöst. Die PIA ist quasi eine große und breit aufgestellte Arztpraxis und die Therapie findet hier nicht nur im Institut statt, sondern auch bei den Patienten zu Hause.
Kontinuierliche Bindung
Ein besonderes Kennzeichen dieses Netzwerkes im KRH ist die durchgängige Betreuung: Die Patienten werden nicht einfach entlassen und müssen sich selbst in Richtung einer nachfolgenden Therapie orientieren, sondern werden über einen langen Zeitraum betreut und Übergänge ganz allmählich aufgebaut. „Das ist ein sehr wertvoller Bestandteil der Therapie, denn viele von ihnen haben nie oder seit langem keine vertrauensvollen, unterstützenden Beziehungen in ihrem eigenen Umfeld erlebt“, betont Wilhelm-Gößling.
* Aus Datenschutzgründen ist Domenic M. eine fiktive Person, dennoch ist die geschilderte Krankheitsgeschichte realistisch.